Ilse ist neu hier. Sie erzählt mir gleich, wie die Straße in Oberhausen Sterkrade heißt, auf der sie gewohnt hat, und sieht mich kurz erwartungsvoll an. Zusammen mit ihrem Freund habe sie dort ein paar Jahre verbracht, bis er starb. „…datt war kein schöner Job mit all den schwarzen Krömmelkes zwischen de Zähne!“ weiterlesen
Frau mit Ohrclips holt Geld ab, damit Mann es nicht verspielt
Saftig und fein püriert. Die satte Schicht aus säuerlich glänzenden Äpfeln. Irene fährt sie mit den Augen in der Quadratur eines Blechkuchenstücks ab. Sie erzählt währenddessen, dass die Lätta gerade bei Netto im Angebot sei und sie sagt so Sätze wie: „Die Pralinen lasse ich gerade weg.“ Katrin „faste“ noch bis Gründonnerstag „Schimpfwörter“, denn schließlich könne man sich nur über individuellen Verzicht auf sich besinnen und seiner selbst bewusst werden.
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Die Sachen waren, als das wir sie wollten
Ein brombeeriger Glitzerton liegt auf Ingrids Lippen. Eine Perlenhalskette – die Jahre gebraucht haben muss, um sich so passgenau zu schmiegen – legt sich warm in das Dekolleté der 80-Jährigen.
Jahresgruß 2018
Wir können entwickeln,
beim Verspinnen knotiger Fäden,
können gestalten,
noch in den Falten knittrigen Papiers.
Spannen Netzwerk und Richtschnur, mit Briefkopf und Siegel.
Papierflieger auch.
Gehen dann und wann ein paar Schritte zurück, ins Größerwerden,
denn stapeln dabei nur,
was sonst zu wenig tief für uns wäre.
Uns schon genügen
wir
reichen über uns hinaus.
Wir richten uns ein, wenn wir die Behaglichkeit verlassen, balancieren uns aus, wenn wir nur ein bisschen schief schauen. Vor allem uns selbst an.
Und heben
das uns eigentlich Tragende. Unser Quartier.
Und dann gehen dir die Puppen flöten
Als ich heute den Vortragssaal des Bistro Jahreszeiten betrete – das Café ist von geschlossener Hochzeitsgesellschaft besetzt – zupft Ingrid bereits versonnen an einer Zither. Ein schwarz lackiertes Holzinstrument, mit roten und blauen Streublumen bemalt, das ihr einst Alfred zur Goldenen Hochzeit geschenkt hat. Auf einem Teewagen schiebt Ingrid im Wechsel alter Volkslieder die Notenschablonen unter die etwas verstimmten Saiten, vor Kopf eines gemütlich aus kleinen Tischen zusammengestellten Kreises, und lässt die alten aber sicheren Finger eine Melodie streicheln. Etwa einen Zentimeter über 16 Uhr, an einem Samstag im heute etwas verschlafenen Oberhausen Sterkrade.
„Wo nicht befruchtet wird, gibt es nichts zu essen“
Greta fehlt heute. „Sie hat eine Jahreskarte für Dortmund, vom Verein, Stadion Stehplatz“, erfahre ich von Rosemarie. Auf die Frage, ob man als Fan nicht in der Kurve stehen müsse, entgegnet die entgeistert: „BVB-Gelb gibbet nicht zum Stehen!“
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Baden mit Cola-Weinbrand, Zitherspielen gegen Kummer
Ein eher verschlafener Nachmittag. Aber heute bekomme ich eine Zither „gegen wenne mal schweres Herz hast“ und mehr Kuchen als sechs Frauen essen können.
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Als wir Locken verbrannten und durch die Wolken flogen
Heute ziehe ich mir auf dem Weg zum Café Bistro Jahreszeiten, in dem die Menschen der Gute Hoffnung leben schon zu Rhabarber mit Sahne zusammensitzen, zwei kleine Möhren aus dem ‚Garden to go‘. Sie sind ziemlich klein, gelb wie halb geschmolzenes Wassereis und schmecken etwas bitter nach Baumarktmutterboden. Als ich mit etwas langen Zähnen knabbernd durch die Tür komme, begrüßt mich Rosemarie mit einem: „UHHH, ich würde da NICHT ernten! Nachher pinkelt da einer drauf!“.
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Theaterszenen, die jemandem gehören
Die zwei Frauen versuchen, zu ermitteln, um wen es in dem Gespräch der dritten und vierten geht. Der Inhalt des Gesprächs bedarf nicht der Identität der Person. Ihr Gespräch bekommt gewisse Längen. „Man datt is der, wenn er sich bückt, watt aufhebt!“, kürzt Erika den gesuchten Niemand in ihrer schroff-redensartlichen Herzlichkeit ab. Und wir starten: unser 22. Erzählcafé Streuselkranz.
Eintauchen in gezuckerters Süßwasser
Heute treffe ich Renate wieder. Renate kommt viel rum und reist allein mit diversen Traumschiffen durch diverse Länder, die nicht unbedingt zu jedem Zeitpunkt traumhaft sind. Doch nach zwei Tagen hatte Renate raus, wie religiöse Kleidung zu knoten und das Silberbesteck zu bedienen war, gleich Anschluss gefunden und immer ihre Ruhe, wenn sie es so wollte.