ein.streu…seln….. . .

bolzplatz

Bis jetzt sind wir zwanzig. Überwiegend Sterkrader, aber auch Engländer, Duisburg-Neumühler, und Sauerländer, Mülheimer, Essener und echte Steiger. Wir treffen uns ein Mal im Monat zum Erzählcafé ‚Streuselkranz‘, um zu erzählen…

Hier im Gute Hoffnung leben und wohnen-Zentrum ist unsere Runde mal größer und mal kleiner, finden sich jeden vierten Samstag all jene ein, die anderen begegnen und sich austauschen wollen.

Im Café Bistro Jahreszeiten treffen wir 31 bis 96-Jährige uns, Männer und Frauen des Quartiers und Zugezogene. Wir versammeln uns um kleine Tische, und sammeln alte Bilder und neue Eindrücke: vom Sockenstopfen, Muckefuckkochen und von gleichberechtigt gelebter Selbstständigkeit mit Kind; von den Kriegsjahren, den Tagen nach der „Kapitulation“ und unserem digitalen Zeitalter; vom Weisswäschekochen, Sockenstopfen und davon, wie es heute ist, Sterkrader_in zu sein. Von Reisen zwischen Ost und West und der Europäischen Union, vom Flüchten, modernem Fußball, einer Mineralsteinsammlung und den Peep Shows der 90er-Jahre.

An die Arbeit unter Tage erinnert sich eben noch eine Bewohnerin des Seniorenzentrums, als ein anderer Ur-Sterkrader schon bei der Kinderlandverschickung im Taubertal ist – Koppelschlösser gegen Schokolade eintauschen. Und schon wirft der nächste Mieter der angeschlossenen Appartements ein paar Kohlebrocken ein. Die habe er während des Krieges entlang der Schienen eingesammelt und nach Hause gebracht, zum Kochen, Heizen und Waschen. Manche Kinder warteten täglich auf die Zechenbahn und ihre verlässliche Route durch Eisenheim, wo nicht weniger verlässlich Kohlestücke herunterfielen oder die Heizer schon mal einen guten Tag hatten, und „ein paar besonders große Brocken von den Waggons schmissen“.

Deputatkohle war nur für die Bergleute sichere Energie, oder für jene, die gnädige Kumpels kannten. „Wer kein Bergmann war, der hatte Pech“.

Hier kommen sie noch einmal über Tage: die Erinnerungen und Geschichten, finden sich im Erdgeschoss der Guten Hoffnung ein. Das Mehrgenerationenprojekt, eine Einrichtung der Neuapostolischen Kirche, hat sich aus Kindertageseinrichtung, Wohnpark und dem beliebten Café Bistro Jahreszeiten seit 2011 zum festen Anlaufpunkt für das Quartier Sterkrade und seine Freunde entwickelt. Hier entstehen Anekdoten und Bilder, Gefühle und eine Gewissheit, dass sich rückblickend vieles auf besondere Weise deuten lässt.

Generationsübergreifend leben Menschen des sogenannten IV.ten Lebensalters in Wohngruppen mit Namen wie ‚Zeche Haniel‘. Zwischen den Fluren, in lebendigen Gesprächen und Aktionen arbeiten ehemalige Mitarbeiter der Gutehoffnungshütte, deren Betrieb auf diesem Platz ansässig war, täglich weiter: an der Zuversicht mit Lokalkolorit, denen selbst die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg nichts wirklich anhaben konnten.

Heute ist Sterkrade mehr als nur Montanindustrie und Strukturwandel.

klassenausflug

Bei Bohnenkaffee und „viel zu viel Kuchen!“ ist schnell das erste Eis gebrochen. „Ich wollte Euch gut!“, beteuert Katrin Engels. Die Mutter dreier Kinder betreut die Mieter der Guten Hoffnung leben und wohnen und entwickelt Projekte für`s Quartier. Zusammen mit ihr stelle ich Fragen, hören wir zu, sichern wir Erinnerungen, Wissen und Erfahrung. Ich fange Geschichten für diesen Blog, für meine Generation ein:

von Walda und ihrer Kindheit in der Rainerstraße in Trümmern, von Wilma und ihrer kleinen Lotterie, als die Straßenbahn der Nr. 1 noch über die Marktstraße fuhr, von den tief gläubigen Sauerländern, denen zum Aufbruch in ihren Alterswohnsitz im Jahr 2011, mitten im Ruhrgebiet, nur Köpfe geschüttelt wurden.

Auch der Heimatforscher Alfred Lindemann besucht unseren ersten Streuselkranz, heute am am 18. April 2015. „Was soll ich hier eigentlich?“, will der Sterkrade-Experte an diesem Samstagnachmittag wissen. Und damit ist er schon eigentlich mitten drin. Mit langgezogenem „a“ würden ja viele fälschlicherweise das 2013 bereits für 100 Jahre Stadtrechte gefeierte Sterkrade intonieren, moniert der über die Grenzen hinaus bekannte Autor mehrerer Sterkrade-Bände, obwohl es auch nicht „StErkrade“, sondern einfach „sterkrade“ heiße. Ohne jede Pirouette in der Betonung, aber mit ganz vielen Schätzen im Kopf.

 

froehlicher_junge

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